Und wieder im 10.000er Club – mit dem 2. Delite

IMG_2820Mein aktuelles Delite ist das zweite Bike von Riese&Müller, welches inzwischen über 10.000km auf dem Tacho hat. Mein erstes Delite mit dem Bosch Classic Motor hat inzwischen etwas über 13.000km auf der Uhr und eine Zweit- und Drittkarriere als eMTB und Lastenbike vor sich. Zeit für eine Zusammenfassung und ein Fazit.

Das Delite „Classic“ war schon ein tolles Bike, mit dem nahezu alles möglich war und welches mir so manche Autofahrt ersparte. Doch als ich das aktuelle Delite im Winter 2015/16 live vorab bei meinem Händler sah, wussten ich, das „alte“ Delite gehört zum alten Eisen. März 2016 habe ich es „in Dienst“ genommen.

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Beim aktuellen Delite hat Riese&Müller fast alles richtig gemacht, ich kann es ja direkt mit dem Vor-Vorgänger vergleichen:

Rahmen: ist zwar nicht leichter, aber stabiler geworden. Besonderes Gimmick sind die integrierten Flaschenhalter am Steuerkopf. Die Lackqualität ist beim Delite der Preislage angemessen. Die guten alten Powerpacks sind gut und sicher integriert.

Motor: im Vergleich zum Bosch Classic 45 eine deutliche Verbesserung. Die 63 Nm bringen die Fuhre inkl. schwerem Gepäck und schwerem Fahrer über jeden Berg. Nutzbare Trittfrequenz liegt zwischen 60 und 100 rpm, ideal sind 75 – 85 rpm  da lässt es sich sportlich voran kommen. Man muss allerdings mehr arbeiten als beim Bosch CX, der einiges stärker am Berg ist. Hier könnte Bosch ruhig mal nachbessern. ( Nachtrag: was sie für 2020 tun werden. )

Mit dem Update von 2018 werden jetzt auch echte 45km/h erreicht, bevor der Motor nachlässt. Das geschieht nicht ganz aprupt, offensichtlich reizt hier Bosch auch die Toleranzen aus.

Akku: 2 x 500 Wh geben endlich eine ordentliche Reichweite für die Fahrt mit voller Unterstützung. Je nach Streckenprofil sind 70km bei voller Fahrt drin. S-Pedelec im Alltag und beim Pendeln bedeutet bei mir immer höchste Unterstützung. In der Freizeit und auf Reisen ist das anders. Hier hat sich die Unterstützung „Tour“ bewährt und so sind je nach Profil und Gepäck zwischen 100 und 150 km drin. Das ist eine Tagesetappe ohne Nachladen. Die Geschwindigkeiten liegen dabei immer noch etwas über denen der 25er Pedelecs.

Räder: 27,5 Plus Felgen von Alex Rims sind unkaputtbar, die Super Moto X in Breite 62mm sind komfortabel, rollen leicht, haben eine sehr gute Kurvenlage, taugen auch im Gelände und auch mal auf Schnee. Den Hinterreifen habe ich bei km 8.000 ersetzen lassen, Kosten ca. € 40. 27,5 Zoll Reifen selbst wechseln mit Hausmitteln ist technisch einfach, reifenhebermordened, aber anstrengend. Die Dinger sitzen extrem stramm. Ich bevorzuge generell die Variante mit Schlauch. Flickzeug ist auf Reisen leichter als eine Flasche „Tubeless Glibber“ .

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Schaltung: SLX Schalthebel, SLX Kassette und XT Schaltwerk haben inzwischen eine unheimlich gute Qualität erreicht. Auch bei völlig verdreckter Kette und extrem verschlissenen Ritzeln mit Zahnausbrüchen rasten die Gänge schnell und exakt ein. Auch die Bowdenzüge haben sich in den letzen 20 Jahren extrem verbessert. Zwischen den Inspektionen musste ich nie nachstellen. Der komplette Antrieb mit Motorritzel, Kassette und Kette muss etwa alle 4000 km ersetzt werden. Kosten etwa € 200,–.

Bremsen: die MT4 von Magura rubbeln, besonders vorne. Das ist dem Design der Bremsscheibe geschuldet. Nach verschiedenen Tests bevorzuge ich die Bremsbeläge 7P von Magura. Rubbeln wenig, bremsen sanft und doch sehr nachdrücklich. Die Bremsen lassen sich sehr gut dosieren und bringen das Delite auch voll beladen bergab aus sehr hoher Geschwindigkeit sicher zum Stehen. In den Alpen konnte ich kein Nachlassen oder Überhitzung feststellen. Ein Satz Bremsbeläge hält etwa 2.500 km, vorne und hinten. Die Beläge lassen sich leicht wechseln, auf Youtube gibt es ein gutes Tutorial von Magura. Nach Belagwechsel musste ich die Bremsen noch nie neu ausrichten. Eins Satz Beläge kostet € 19,90,- UVP. Finger weg von Billigbelägen!

Federung: die AION verrichtet ihren Dienst zuverlässig. Sie ist nicht besonders sensibel aber robust. Die RST am alten Delite war nach 10.000km überholungsbedürftig, die AION zeigt keine Schwächen.

Der X-Glide Dämpfer ist ok und funktioniert wie am ersten Tag. Beide Federelemente lassen sich per Luftdruck so fein einstellen, dass der nominale Federweg ganz ausgereizt werden kann.

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die IQ-X ist nett, reicht aber ab 25 km/h nicht weit genug. Mit Reflektoren an den Strassenrändern mag es noch gehen:

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Ohne Reflektoren am Wegesrand fährt man ins Dunkel:

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Aufgrund der merkwürdigen Gesetzgebung gibt es kaum legale Nachrüstmöglichkeiten, die meisten Händler winken ab. Eine Helm-/ Lenkerlampe von MagicShine schafft Abhilfe ohne StVzO ( das kleine Ding neben dem Nyon):

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So fühle ich mich nachts sicher. Rücksichtnahme auf entgegenkommende Fahrzeuge wie bei jeder Nutzung eines Fernlichtes ist selbstverständlich.

Pedale: die serienmässigen Billigdinger flogen sofort runter. Ich habe sie erst durch Bärentatzen, dann durch die Flatpedals GR500 von Shimano ersetzt. Nachteil: geringere Schräglagenfreiheit, wie man an den Kratzern sieht. Dafür steht man mit allen Schuhen sicher drauf.

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Sattel: der serienmässige Ergon ist hochwertig, passte mir aber nicht richtig. Bei SqLab wird erst der Sitzknochenabstand ermittelt, dann die Sitzposition und das Fahrergewicht berücksichtigt. Der Sattel arbeitet beim Pedalieren mit. Ich habe mich für den 612. Hart, aber ehrlich, es dauert eine Weile, bis sich der Hintern angepasst hat, aber dann ist es perfekt. Und sieht gut aus…..

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Schutzbleche: die Original 65mm SKS sind zu schmal, bei hohen Geschwindigkeiten fliegt das Wasser dran vorbei. Und sie sind zu kurz. Man ferkelt sich, das Gepäck und den oder die Hinterherfahrende(n) ordentlich ein.

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Zumindest vorne schaffen die nachgerüsteten 75 mm Bluemels von SKS + Spritzschutzlappen von Fahrer etwas Abhilfe:

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Vorbau: die ideale Sitzpostion habe ich mit dem verstellbaren Vorbau Swell von Ergotec gefunden. Safety Level 6 hat auch Zulassung für S-Pedelecs.

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Special: die Inner Barends von SqLab geben eine rennradmässige Armhaltung. Verringert den Luftwiederstand. Computer zeigt 20 Watt weniger bei gleicher Geschwindigkeit oder 2km/h bei gleicher Leistung ( Geschwindigkeiten rund um 40 km/h ). Und sie sind bequem, ich möchte sie nicht mehr missen.

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Gepäcktransport: die Ortlieb Backroller Pro haben noch nie Wasser durchgelassen und reichen für den Alltag und die Reisen. Der Lack des Gepäckträgers hat allerdings etwas gelitten.

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Das Nyon: zeigt alles an und navigierte bis zum letzten Update einigermassen gut. Leider werden importierte GPX-Tracks seitdem „gesetzteskonform übersetzt“, d.h. wir Speedpedelecbiker werden nur über Strassen geroutet, wenn eine in der Nähe ist. Fühle mich dadurch bevormundet. Außerdem werden bei den POI´s kaum noch Übernachtungsmöglichkeiten genannt und Campingplätze sind völlig verschwunden. Für Touren ist das Ding damit ungeignet geworden, hier hat Bosch eindeutig verschlimmbessert. Auch App und Portal wurden verschlechtert, so wird zum Beispiel die „Tagesleistung“ nicht mehr angezeigt. Vom Nyon kann ich seit neuestem Update leider nur noch abraten.

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Es gab keinen außerplanmässigen Werkstattaufenthalt. Auf den 10.000km fielen an:

  • 3 x Inspektion
  • 2 x SW Update
  • 2 x Tausch des Antriebs, bei 3.500km, 7.500km, je ca. € 200,– inkl. Montage
  • 4 x Tausch der Bremsbeläge vorne und hinten, alle 2.500km, je € 39,80,–, Selbstmontage
  • 1 x Super Moto X hinten, € 35,– inkl. Montage
  • 1 x Schlauchwechsel wegen Platten vorne, € 6,90,– + ½ Stunde Schinderei sowie 2 kaputte Reifenheber

 

Ich schreibe hier im Blog nun seit 2 Jahren zum Thema Speedpedelec. Leider wurden von diesen Fahrzeugen insgesamt nur 5.000 Stück im letzten Jahr verkauft – 0,5 % Marktanteil bei knapp 1 Million verkaufter eBikes. Wer sich ein S-Pedelec zulegt, muss dieses schon sehr wollen. Das Angebot der Hersteller ist überschaubar, die Händler argumentieren überwiegend dagegen, die Verbände ADFC und VCD fühlen sich – positiv ausgedrückt – nicht zuständig und die Politik pflegt ihre Ahnungslosigkeit durch Desinteresse. Oder umgekehrt. So bleibt es leider dabei: wer das Potential eines S-Pedelecs wirklich nutzt, wird so manche Regel übertreten müssen. Wer sich dabei rücksichtsvoll verhält und seine Geschwindigkeit der Situation angemessen anpasst, wird wie ich in 7 Jahren und 23.500 km keine Probleme bekommen. Das angesprochene Potential zeigt sich auf täglichen Strecken zwischen 15 und 40 km, somit ist es ein ideales Pendlerfahrzeug. Die derzeitige Radwegediskussion geht an diesem Thema völlig vorbei. Ist allerdings nicht schlimm, denn ein Pendler findet seinen optimalen Weg über jedes Terrain.

 

 

 

 


8 Gedanken zu “Und wieder im 10.000er Club – mit dem 2. Delite

  1. Hallo Martin,

    sehr interessanter Bericht. Vielen Dank.

    Eine Anmerkung:

    Ich habe bei meinem R&M Charger S-Ped (nach 2 Jahren jetzt 18400 km) die Supernova M99pro verbaut. Die ist mit e1 Prüfzeichen für die Nachrüstung am S-Ped zugelassen (und nur an diesem, keine Fahrradzulassung) und bietet Tagfahrlicht, Abblendlicht und Fernlicht, letzteres mit 1600 lm / 360 Lux. Mit der Leuchte bin ich seeeehr zufrieden und noch nie von entgegenkommenden Fahrzeugen angeblinkt worden. Das spricht eigentlich für sich.

    Und eine Frage:

    Ich habe bei mir auch sofort auf MTB Pedale umgerüstet. Aber irgendwie habe ich da kein Glück: Bei den ersten (3-fach gelagert lt. Werbung) waren nach kurzer Zeit die Lager hin (ich fahre bei jedem Wetter), beim zweiten Satz der gleichen Pedale ebenfalls. Bei den jetzigen Pedalen (eines anderen Herstellers) bestehen die Pins aus so dünnen Schrauben, dass sie nach kurzer Zeit größtenteils krummgetreten oder gleich ganz aus dem Gewinde gedrückt waren.

    Wie lange fährst Du die Shimano Pedale schon? Taugen die was bei Alltagsbetrieb (Alltag = Einsatz an allen Tagen)?

    Allzeit gute Fahrt …

    Marcus

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    1. Hallo Marcus, die Qualität der Shimano Pedale ist gut. Ich bin nicht so 100%ig überzeugt von der konkaven Standfläche, manche meiner Schuhe, die mit härterer Sohle, passen nicht so gut dazu. Viele Grüße, Martin

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  2. Dein Blog ist großartig. Vielen Dank, dass du deine Erfahrungen auf diesem schönen Wege mit uns Lesern teilst. Dein Blog hat mich sehr motiviert und meine Eindrücke auf diversen Testfahrten haben meine Lust auf ein S-Pedelec nicht geschmälert und nun warte ich sehnsüchtig auf unser R&M Load 75 HS.
    Allzeit gute Fahrt

    Jan

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